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Die öko-soziale Marktwirtschaft: Klima- ohne Systemwandel

Schaffen wir nach der sozialen die öko-soziale Marktwirtschaft. Diese könnte aus vier Elementen bestehen: 1. Mit der Energiewende wird von fossiler auf erneuerbarer Energie gewechselt 2. Lenkungsabgaben: Wer mehr Natur konsumiert, zahlt dies den anderen. 3. Die Kreislaufwirtschaft hebt den Markt auf ein neues Niveau. 4. Technologiesprünge garantieren die Beibehaltung des Komforts.

Nach dem zweiten Weltkrieg ist unter Führung von Bundeskanzler Ludwig Erhard die soziale Marktwirtschaft entstanden. Langwierige, ideologische Grabenkämpfe fanden in der westlichen Welt ein Ende dank dem Aufbau des Wohlfahrtstaats und der Entwicklung der Sozialpartnerschaft. Die Integration von Migranten, die Gleichheit aller Lebensformen und der Einsatz für Frieden und Sicherheit können ebenso in diese Reihe gesetzt werden. Im Rahmen eines marktwirtschaftlichen und wachstumsorientierten Systems gedeiht die Gesellschaft.

Auch der Schutz der Umwelt hat viele Ziele erreicht: Die Qualität von Wasser, Boden und Luft sind markant verbessert, der CO2-Ausstoss trotz Bevölkerungswachstum deutlich gesenkt worden. Erste Führungskräfte der Wirtschaft bauen ihre Firmen zu CO2-neutralen Unternehmen um, die ersten Energie-Plus-Häuser sind gebaut. Die laufenden Auseinandersetzungen zum Klima stellen diese Errungenschaften nun aber in den Schatten.

Die Politik tut sich noch schwer. Viele Massnahmen sind beschlossen und noch mehr Ideen werden herumgeboten. Doch es fehlt ein Überbau – ein Leitstern. Ohne diesen drohen uns lange Wirrnisse und umkämpfte Zeiten wie vor der Einführung der sozialen Marktwirtschaft. Ein manchenorts geforderter Systemwandel wie eine Abkehr vom Wachstum wäre verbunden mit schmerzhaften Kaufkrafteinbussen, Rentenabbau, Versorgungslücken im Gesundheitsbereich und verlotternder Infrastruktur. Auch die Planwirtschaft ist keine Alternative, wie Unmengen Beispiele in der Geschichte gezeigt haben.

Jetzt ist die Zeit für die Weiterentwicklung der sozialen zur öko-sozialen Marktwirtschaft gekommen. Mit einer gemeinsamen Vision und einem Schulterschluss über Weg und Ziel wird wertvolle Zeit gewonnen und das Vertrauen der Bevölkerung erhalten. Die gegenwärtigen verengten Debatten über das CO2 sind darum auszuweiten. Die öko-soziale Marktwirtschaft könnte aus vier Elementen bestehen:
1. Mit der Energiewende wird von fossiler auf erneuerbarer Energie gewechselt
2. Lenkungsabgaben: Wer mehr Natur konsumiert, zahlt dies den anderen.
3. Die Kreislaufwirtschaft hebt den Markt auf ein neues Niveau.
4. Technologiesprünge garantieren die Beibehaltung des Komforts.

Gehen wir näher auf die vier Elemente ein:

Erstens: Die Energiewende muss jederzeit der Prämisse genügen, dass Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit unter denselben Hut Platz finden. Blackouts und Preissprünge werden nicht akzeptiert und bremsen alle Bestrebungen. Die Priorität lautet, dass zuerst Kohle, dann Öl sowie Gas ersetzt werden gemäss der Schädlichkeit. Der Verbrennungsmotor ist zum Verschwinden zu bringen. Für Nutz- und Personenwagen, Flugverkehr, Wärmeerzeugung und Industrieprozesse sind klimaneutrale Technologien das Fernziel. Der Energiehunger von Elektroautos oder Wärmepumpen ist gross, die Wasserkraft zu guten Teilen aber ausgeschöpft, der Ausbau der Windenergie bekämpft, der Beitrag der Geothermie noch nicht gesichert und die Bioenergie mit wenig Potenzial. Es bleibt derzeit bloss die Sonnenenergie und enormer Speicherbedarf. Der Weg ist lang.

Zweitens: Dem Klima ist es egal, durch welchen Vorgang das CO2 freigesetzt wurde. Eine generelle CO2-Lenkungsabgabe drängt sich daher auf und nicht bloss eine Abgabe auf einzelne Nutzungsarten. Überall, wo CO2 freigesetzt wird, wäre eine Abgabe fällig und nicht nur auf Brennstoffen, Benzin oder Kerosin. Es geht um den CO2-Ausstoss, nicht ums Bestrafen der Mobilität. Darum ist eine Flugticketabgabe ohne Berücksichtigung des Verbrauchs je Flugzeugtyps suboptimal. Eine breit angesetzte Lenkungsabgabe setzt beim Verursacherprinzip an und bildet die Kostenwahrheit in den Preisen ab. Wer mehr Natur konsumiert, zahlt. Wer weniger Natur konsumiert, erhält. Einfacher geht es nicht. Es entstehen so Anreize für persönliche Einsparungen und für Innovation. Eine funktionierende Lenkungsabgabe bedingt aber die volle Rückerstattung ohne jedes Abzwacken durch die Politik. Ansonsten wird der Öko-Bonus unterlaufen und der Staat macht sich breit, was neuerliche Widerstände provoziert. Eine generelle CO2-Lenkungsabgabe verdient einen eigenen Artikel in der Bundesverfassung!

Drittens: Die Kreislaufwirtschaft. Das Potenzial für die Wiederverwendung von Material ist nicht ausgeschöpft, die Abkehr von der Wegwerfgesellschaft zu einem System mit haushälterischem Umgang mit Ressourcen noch nicht vollends erreicht. Die Ressourcenschonung ist mehr als Recyclen, nämlich eine neue Art des Umgangs mit Materialien. Zu dieser Kategorie gehört übrigens auch der Kampf gegen den Food-Waste. Die Kreislaufwirtschaft ist nicht mit dem Zauberstab zu erreichen, sondern nur mir Fleiss. Es geht um gemeinsam mit der Wirtschaft erarbeitete Normen.

Viertens: Technologiesprünge. Mit Verzicht wird es nicht gehen, da niemand kalt duschen oder weniger heizen will. Und auch wenn die Physik Schranken setzt, es darf in die Schaffenskraft der Menschen vertraut werden. Die CO2-Bilanz der Schweiz zeigt es ja bereits. Trotz 2 Mio. mehr Einwohner ist der CO2-Ausstoss gefallen. Eine neue Generation von Ingenieuren wird neue Techniken und Technologien erfinden sowie neue Effizienzen erreichen. Weiter gilt es, alte Techniken vom Markt zu nehmen. Vordringlich ist dies bei Geräten, die im Dauereinsatz stehen, so bei veralteten Fliegern, LKW oder Bussen.

Dies alles ist kein Zuckerschlecken und lässt sich nicht in wenigen Jahren bewerkstelligen. Die Herausforderungen sind hoch, die Schranken vorhanden. Die Kosten für den Umbau sind exorbitant. Der Ausstieg vom Fossilen hat zudem gleichzeitig mit der Abkehr von AKW stattzufinden, was die Aufgabe noch grösser macht. Dies darf nicht mit Wachstumsverzicht einher gehen, sonst kippt die Zustimmung. Denn die Rentensicherung braucht Wachstum, die Bildung braucht Wachstum, der Ausbau des öffentlichen Verkehrs braucht Wachstum, etc. Dies alles findet idealerweise begleitet durch ein welt- oder zumindest europaweites koordiniertes Vorgehen statt, weil Sololäufe weniger bewirken und mehr Unruhe schaffen. Aber ohne Beitrag der einzelnen Länder, ohne unseren Beitrag reicht es nicht.

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